Da das Thema Prüfung auch gerade meine Wenigkeit betrifft, erkläre ich euch nun, wie ihr eine Klausur in einem Rechtsfach in den Sand setzt. Sich irgendwelche unnötigen Vorschriften und den Schemata in den Kopf zu prügeln, beherrscht ja jeder. Doch mithilfe dieser Anleitung werdet ihr mit Stil untergehen. Natürlich wäre es einfacher, ein leeres Blatt abzugeben, aber irgendwie müsst ihr die Zeit ja füllen. Und hinterher glaubt noch jemand, ihr wäret gesundheitlich nicht in der Lage, die Klausur mitzuschreiben und ihr müsst sie wiederholen.


Stellt den Sachverhalt in Frage!
Die Aufgabe hinnehmen? Niemals! Natürlich wissen wir selbst im grundlegenden Sachverhalt unserer Prüfung einen besseren Weg, diesen darzustellen. Also formuliert ihn einfach um. Tauscht dabei nicht einfach Personen oder Tatbestände aus, ihr müsst die komplette Aufgabe neu aufrollen, da euer unfähiger Dozent es nicht geschafft hat, eine eurem genialen Geist würdige Aufgabe zu stellen. Also entwerft ihr eine Aufgabe, die derart viele Unmöglichkeiten und Fallstricke enthält, dass bei normalen Menschen für einen derart hohen Blutdruck sorgen würde, dass der Schädel dem nicht standhält. Die Folge ist der Exitus. Arme, dumme Menschen.

Nicht auf das Thema eingehen!
Wenn ein Dozent euch in der Klausur eine Frage stellt, wird nicht erwartet, dass ihr diese ohne Umschweife beantwortet. Falls ihr beispielsweise drei Stunden Zeit habt, müsst ihr so weit ausholen, dass ihr noch 15 Minuten Zeit habt, auf die Frage an sich einzugehen. Denn was nahezu kaum jemand weiß, nicht einmal die Dozenten selbst, ihr müsst mit eurer Klausurlösung bildlich gesprochen bis zum Urschlamm ausholen, einen weiten Bogen über das Zeitalter der Trias ziehen, die Steinzeit streifen, das Mittelalter umfassend erläutern, um dann mit der Industrialisierung die Beantwortung eurer Frage einzuleiten. Welche sich im Idealfall über zwei Zeilen erstreckt und zudem formell wie inhaltlich nicht korrekt ist. Wahrscheinlich werdet ihr den Hinweis erhalten, dass ihr gnadenlos am Thema vorbeigeschrieben habt. Aber nur, weil ihr das verwinkelte, labyrinthartige Konstrukt hinter der banal erscheinenden Frage erkannt habt. Was sonst niemand hat. Sind zwar 0 Punkte, aber seid euch eurer Genialität sicher.


Bedient euch einer kreativen Form!
Wahrscheinlich wird euch der Gutachten- oder Urteilsstil vorgegeben. Doch dies kann höchstens euren genialen Verstand eingrenzen. Sprengt diese juristischen Ketten und lasst eurer Kreativität freien Lauf. Verzichtet auf jegliche Struktur, schreibt zusammenhanglose Fetzen, die euch gerade in den Sinn kommen und wechselt mehrfach die Sprache, das zeugt von Kreativität. Außerdem solltet ihr auf vollständige Sätze oder Wörter verzichten. Abkürzungen, auch solche, die ihr euch ausdenkt, sind absolut legitim, natürlich dürft ihr diese nicht erklären. Dazu sind die notwendigen Satzteile in der deutschen Sprache vollkommen überbewertet. Ihr sollt euch schließlich weder mit Thema auseinandersetzen, noch irgendeinen Sprachstil verwenden, der es auch nur ansatzweise möglich macht, euch auch nur einen Mitleidspunkt zu geben.
Um dem Ganzen die Kirsche auf das Sahnehäubchen zu setzen, könnt ihr auch von rechts nach links schreiben. Dies erfordert aber bereits virtuose Schreibkünste und ist somit nur für Fortgeschrittene Nicht-Besteher zu empfehlen.


Bezieht euch auf keine auch nur ansatzweise anerkannte Rechtsgrundlage
In Rechtsklausuren ist es normalerweise unumgänglich, eine der eigenen Lösung entsprechende Grundlage in einem Gesetz zu finden und auch zu benennen. Doch warum solltet ihr, die genialen Köpfe dieser Gesellschaft, die Krone der menschlichen Schöpfung, die Kruste der Creme Brulée, euch an jedwede Konventionen halten? Bedient euch jeder euch bekannten Rechtsgrundlage, welche würdig erscheint, von euch überhaupt beachtet zu werden. Die für mich gängigsten Beispiele wären hierbei das Gesetz des Cthulhu, die Gebote des fliegenden Spaghettimonsters oder, quasi das Grundgesetz der Matrix, eure gottgegebene, unfehlbare Intuition. Wie solltet ihr bitte andere Gesetze benutzen, die vollkommen talentlose, sterbliche Menschen in zähen Diskussionen erdacht haben? Lasst eurer Kreativität freien Lauf!


Solltet ihr diese Regeln beachten, ist euch die Bewunderung des Korrektors sicher. Er wird trotzdem, wie von euch beabsichtigt, zu dem Ergebnis kommen, euch keinen einzigen Punkt geben zu können, aber ihr habt eure intelektuelle Dominanz bewiesen und die Grenzen des Systems aufgezeigt. Leider werdet ihr so trotzdem kein Bundeskanzler. Und kein Diktator. Zumindest nicht ausschließlich auf diesem Weg.
Und damit wünsche ich euch viel Erfolg bei der Jagd auf die 0-Punkte Klausur, dem heiligen Gral des Ausbildungswesens.

Hier noch der Link zu der neuen Heimat meines Blogs: https://derhilden.wordpress.com/


Permalink  | 2 Kommentare  | kommentieren

der imperialist am 10.Okt 15, 19:10  | Permalink
Hahahaha. Ziemlich lustig. Mit Stil scheitern ist eine große Menschenkunst, die nicht jeder beherrscht,ob jetzt auf der UNI oder etwas weiter unten in der Top-Liga Lounge der vom Arbeitsamt aussortieren.
sebastian_1994 am 10.Okt 15, 19:19  | Permalink
Absolut! Wer ebenso viel Zeit darin investiert, einfach zu scheitern wie jemand, der besteht, hat ebenso Respekt verdient. :D Ist zwar so ziemlich das Einzige, was er damit erreicht, aber dennoch ein Erfolg.
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